Rede zur Ausstellung Markus Wahle: „Eine Kunstauswahl.e“ Bilder und Objekte, in der Praxis Dr. Marion Azizi, 04.12.2022
Lieber Markus, liebe Fr. Dr. Azizi, liebe Kunstfreunde,
Wie immer ist es eine große Freude, die Kunst von Markus Wahle außerhalb seines Ateliers zu sehen. Staunend registriere ich, dass sie es vermag, einem medizinisch orientierten Umfeld, wie hier der Praxis Dr. Marion Azizi, einen sehr elegant belebten Charakter zu verleihen.
Natürlich habe ich im Vorfeld hinterfragt, wie es der Kunst in diesen Räumen ergehen wird, und wie reagieren die Räume auf die Kunst. Die Frage alleine ist nicht der Grund für mein Staunen, schon aber die Erkenntnis, wie sehr die Arbeiten von Markus Wahle, getragen von großer Selbstverständlichkeit mit den Räumen hier korrespondieren.
Denn es ist eine höchst spannende, symbiotische Beziehung, die Kunst und Ausstellungsraum im Regelfall eingehen.
Zum einen die Kunst, die aufgrund ihres Wesens zumindest als gesellschaftliche Selbstverständlichkeit wahrgenommen werden will, und zum anderen die Ausstellungsräume, die sich im Idealfall dieser Absicht unterordnen, d.h. der Kunst dienen.
Nur sind dies hier keine Ausstellungsräume, die dieses Modell Kunst bedienen. Darf dann im Umkehrschluss hier überhaupt Kunst stattfinden?
Ja, natürlich darf sie das. Soll sogar, denn Kunst hängt zwar immer noch ein gewisser elitärer Nimbus an, aber undenkbar, sie nicht als soziokulturelle Selbstverständlichkeit in Situationen täglichen Lebens einzubinden.
Verlassen wir hier die eher theoretischen Anmerkungen zu Kunst und Ausstellungsraum, sondern begeben uns zurück in diese praktische, besondere Situation, die Ausstellung von Malerei und Objekten von Markus Wahle in der Praxis Dr. Azizi.
Den Künstler Markus Wahle kenne und schätze ich bereits seit über 20 Jahren, und aus diesem Zeitraum haben sich Arbeiten in dieser Praxisausstellung zusammengefunden.
Als Künstler setzt er damit ein wichtiges Zeichen. Denn während dieser Zeit war die Kunst nicht sein Beruf, wohl aber Berufung.
Er hat nie, und das hebt ihn aus einer großen Flut von kreativ arbeitenden Menschen hervor, seine Kunst als dekorierende Freizeitbeschäftigung gesehen. Dafür war und ist sie ihm stets zu wichtig.
Und sie spricht in ihrer Abstraktion formal eine so eigenständige Sprache, dass sie ihn in der Kunstwelt unüberhörbar macht, und ihm sichtbar seinen eigenen Platz zuordnet.
Dass Markus Wahle die Ordnung liebt, ist unübersehbar. Im Prinzip hat sie ihn in die Abstraktion geführt. Es gibt viele Wege, die naturalistische Kunstwelt zu verlassen, viele Möglichkeiten der Abstraktion. Markus Wahle ist dabei sehr schnell in der geometrischen Abstraktion angekommen. Sie unterstützt seine Suche nach der einen vollkommenen Linie, der Einordnung der Natur, der Landschaft ohne rechten Winkel – in ein vollkommen ästhetisches, geometrisches Abbild ihrer selbst.
Eine große Rolle spielen dabei nach wie vor seine Aufenthalte auf der Insel Jütland.
Indem Wahle von der „Sprache des Meeres“ spricht, vereinnahmt er die Materialien des Meeres für seine Kunst.
Wie ein Dolmetscher eine Sprache in eine andere übersetzt, übersetzt der Künstler reale Fundstücke und Sand der Insel in seine abstrakten Bilder und Objekte. Sie sind immer noch Fundstücke, immer noch Sand, aber sie sprechen jetzt eine andere Sprache. Die Sprache, die der Künstler für sie vorgesehen hat.
Das ist genau der Punkt, an dem die Kunst sich verselbstständigt. Der Künstler hat einem Bild, einem Objekt seine Gestalt gegeben. Ab jetzt steht sie für sich selbst, nimmt Kontakt mit dem sie umgebenden Raum auf.
Raumlinien und Kunst-Linien verhalten sich zueinander. Laufen aufeinander zu, entfernen, kreuzen sich. Farben ordnen sich zu, bilden Kontraste, Flächen werden bespielt von Mobiliar und Kunst, Kunst und Räume nähern sich formal und thematisch an und gehen im Idealfall, und wie anfangs erwähnt, eine gesunde symbiotische Beziehung ein.
Denn gesund sein, gesund werden, Lebensqualität erhalten, leistungsstark und vital sein, verbunden mit großem ästhetischen Empfinden und Anreizen, dass ist 1. Priorität dieser Räume.
Thematisch und formal kommen diese Ansprüche der Kunst von Markus Wahle sehr entgegen. Material und Farbigkeit der Räume nehmen die Kunst wie selbstverständlich in sich auf. Spielen auch ein wenig mit ihr.
Warum das so ist, aber auch über Entstehungsprozesse der Kunst selbst, welche Materialien und Techniken begegnen uns, warum ist Patchwork so ein großes Thema dabei, darüber werde ich mich jetzt mit Markus Wahle in einem direktem Gespräch unterhalten. Darauf bauend, dass Kunst einem Teil ihrer selbst, der Förderung von jeglichem Dialog, gehorcht.
Anne Knapstein
© Anne Knapstein, Dezember 2022